Berufsfachschule

Mit Farbe und Leim suchen Schüler nach In­spi­ra­ti­on für Kunst

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Am Bildungszentrum Zürichsee greifen die Schüler in Kunstvermittlungs-Workshops selbst zu Pinsel, Pappe und Kleber. Die Resultate sollen in den Kunst am Bau-Studienauftrag des Kantones einfliessen.

Veröffentlicht am 5. Juli 2018 von Blog Redaktion

Am Bildungszentrum Zürichsee (BZZ) in Horgen geht es derzeit geschäftiger zu als an anderen Berufsschulen. Nicht nur wegen der Grossbaustelle. Rund 20 angehende Detailhändler des zweiten Lehrjahres sitzen im BZZ in einem Freilichtstudio mit Baumhauscharakter um drei Tische herum. Die Tischplatten sind übersät mit Kartonschnippseln, Buchstaben aus Karton, Scheren, Leim und noch mehr Karton, auf welchen die Buchstaben geklebt werden. «Alle Buchstaben müssen spiegelverkehrt aufgeklebt werden», erklärt eine Schülerin und begutachtet ein fertig ausgeschnittenes «e» mit kritischem Blick.

(Zürichsee Zeitung)

Auf dem Programm steht an diesem Nachmittag ein einfaches Druckprojekt. Am Anfang habe sich jeder aus einer Auswahl an Sprüchen und Slogans einen ausgesucht, erklärt der Künstler und Kunstvermittler Tom Heinzer. Buchstabe für Buchstabe müssen die Schüler ihren Spruch auf Karton übertragen und ausschneiden. Dann wird der ganze Satz auf einen neuen Karton geklebt, wodurch eine Druckvorlage entsteht.

Unter Anleitung von Workshopleiter und Kunstvermittler Tom Heinzer (2. v. l.) kommen die selbst gemachten Druckvorlagen der Schüler direkt zum Einsatz. Bild: Michael Trost

Basteln im Baumhaus

Im eigens für diesen Zweck gebauten »Studio BZZ» führt die Fachstelle Kunstsammlung des kantonalen Hochbauamtes zusammen mit dem Mittelschul- und Berufsbildungsamt Kunstvermittlungs-Workshops für die Berufsschüler des BZZ durch. Mit dem Pilotprojekt sollen die künstlerischen Richtlinien für den Kunst am Bau-Studienauftrag des kantonalen Hochbauamtes festgelegt werden. 400 000 Franken will der Kanton in die Kunst am Bau des BZZ-Erweiterungsbaus investieren. Die Hälfte des Betrages ist für die Kunstvermittlung budgetiert.

Über eine Treppe gelangt man auf eine Holzplattform, die auf der Zufahrtsrampe für Fahrräder des BZZ thront. Einzig ein Segeltuch und die Krone des Baums, der durch ein Loch in der Mitte der Plattform wächst, spenden Schatten. In einem kleinen Container neben dem «Studio BZZ» lagert ein buntes Sammelsurium an Bastelutensilien vom Wellkarton bis zur Heissklebe Pistole. Es herrscht kreatives Chaos.

Jedem eine Rolle

«Das Ziel des Projekts ist, den Schülern Kunst näher zu bringen und sie für die verschiedenen Gesichter der Kunst zu sensibilisieren», sagt Nadja Baldini. Gemeinsam mit Heinzer, führt die Kuratorin und Kunsthistorikerin die Workshops am BZZ durch. Heinzer ergänzt: «Wir fokussieren auf die Überschneidungen zwischen dem Theater und der Arbeitswelt. Die Parallelen sollen den Jugendlichen zeigen, dass jeder Mensch, im Theater wie im Leben, seine Rolle hat.»

Ein weiterer Aspekt sei, die angehenden Kaufmänner und Mediamatiker, Elektroinstallateure, Recyclisten und Detailhändler aus ihrer Komfortzone zu locken. «Die meisten verbringen viel Zeit am Schreibtisch und arbeiten wenig mit den Händen. Hier sind sie mit Wellkarton, Schere und Leim konfrontiert und haben jeweils nur wenig Zeit gross zu Planen», sagt Heinzer. Dieser Zeitdruck zwinge die Jugendlichen schnell «ins Machen» zu kommen.

Entsprechend ist der Inhalt nicht ausschlaggebend für die Wahl eines Satzes. Die Länge hingegen schon, denn kurze Sätze haben weniger Buchstaben. «Es ist ein bisschen wie Basteln im Kindergarten», sagt eine der Schülerinnen lachend und klebt einen letzten Buchstaben auf ihren Karton. «Aber eine schöne Abwechslung zum kopflastigen Schulalltag.»

An einem vierten Tisch erklärt Heinzer den finalen Arbeitsschritt. Auf einer Glasscheibe verteilt er die schwarze Druckfarbe mit einem Farbroller. Dann gibt er den Roller einem der Schüler weiter und weist ihn an, wie er die Druckfarbe auf seine Vorlage auftragen muss. Nicht zu viel Farbe, aber auch nicht zu wenig. Gleichzeitig soll vom Auftragen der Farbe bis zum Druck auf Papier nicht zu viel Zeit verstreichen, da die Farbe sonst trocknet.

Schwarz auf Weiss

Sobald die ersten Druckergebnisse zu sehen sind, nimmt die verblüffung über das selbstgemachte Resultat Überhand. «Das ist ja richtig gut geworden», staunt das Mädchen, welches ihre Tätigkeit kurz zuvor noch als Kindergartenbeschäftigung belächelte. Blitzschnell sind die einzelnen Buchstaben analysiert. Da könnte man die Kante noch schärfer machen, damit sich der Buchstabe beim nächsten Versuch besser abzeichnet. Dort muss die Farbe dicker aufgetragen werden. Die bedruckten Blätter nehmen die Berufsschüler in ihren Lehrbetrieb mit. Ihre letzte Aufgabe ist es, ihr Werk am Arbeitsplatz zu fotografieren und das Bild Heinzer zu schicken.

Für das kommende Jahr ist eine weitere Runde Workshops geplant. Teilnehmen sollen dann die Klassen des nächsten Jahrgangs. Die Ergebnisse aller Workshops werden gesammelt und als Inspiration den Künstlern übergeben, die am Kunst am Bau-Studienauftrag teilnehmen. «In welcher Form die Ergebnisse gebündelt werden ist noch unklar», sagt Tanja Scartazzini, Leiterin der Fachstelle Kunstsammlung des Zürcher Hochbauamtes. Vorstellbar sei etwa ein Fotobuch oder ein Zusammenschnitt im Videoformat. «Es ist das erste Mal, dass ein solches Projekt durchgeführt wird. Deshalb ist auch noch nichts in Stein gemeisselt.»

Quelle: Zürichsee Zeitung

Umfrage: Wie gefallen euch die Kunstvermittlungs-Workshops?

Leonora Domgjoni, 18 Jahre: «Früher habe ich viel gebastelt und Sachen kreiert. Jetzt interessiere ich mich mehr für Musik als für Kunst. Aber es ist super, bei dem schönen Wetter draussen arbeiten zu können.» Bild: Michael Trost

Levin Kurmann, 17 Jahre: «Kunst und Basteln interessieren mich nicht sonderlich. Vor allem nicht jetzt während der Fussball-WM. Aber die Workshops sind lustig und auf jeden Fall besser als normaler Unterricht.» Bild: Michael Trost

Arjanit Hajdari, 17 Jahre: «Mir gefallen die Workshops und die Idee dahinter. Ich zeichne sehr gern und finde es schön, dass die Schülerschaft in das Kunst-am-Bau-Projekt miteinbezogen wird.» Bild: Michael Trost

Vilma Spaqi, 18 Jahre: «Die Workshops sind toll. Zu Hause bastle ich selten. Aber ich mache hier gerne mit und gebe mein Bestes. Man muss sehr genau arbeiten. Ich bin gespannt, wie der Druck rauskommt.» Bild: Michael Trost

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